Bohème der Republik

nach "La Bohème" von Giacomo Puccini im Klub der Republik, Prenzlauer Berg in Berlin im März 2005

Musikalische Leitung: Rainer Killius
Ausstattung: Konrad Schaller

Lesen Sie auch die Zeitungskritiken zu "Bohème der Republik"

Der Raum, rechts: das "Orchester" - Klavier, Cello, Flöte
[Generalprobe mit Besuch von 2 Fernsehteams: ZDF, Deutsche Welle]
1. Akt: Rodolfo und Mimi


2. Akt: Rodolfo, Mimi, Schaunard, Musetta und Coline

3. Akt: Mimi und Marcello


3. Akt: Mimi


3. Akt: Mimi, Marcello und Rodolfo


4. Akt: Beginn: Marcello und Rodolfo

 

Schauspieler

Mimi: Andrea Chudak
Rodolfo: Fabian Martino
Musetta: Moran Abouloff/Lilia Millek
Marcello: Gabriel Urrutia Benet
Schaunard: Tobias Müller-Kopp
Colline: Rainer Scheerer
Alcindor: Tobias Hagge

Feedbacks von Zuschauern nach der Vorstellung:

Martin Köppen aus Berlin, 11. Mai 2005
Herzlichen Glückwunsch!! Sie haben einen echten Puccini gebracht, mit all' dem Schmelz, der Fröhlichkeit, aber auch der Einsamkeit und der Bitternis, die einen Puccini an einem sog. großen Haus kennzeichnen und charakterisieren würde. Und dennoch haben sie alle, Sänger, Musiker und das Backstage-Team, es mit einfachsten Mitteln geschafft, dieses "ostig-gemütliche" Ambiente des "Klubs der Republik" zu nutzen, um die Grenzen, die volle Bandbreite der Tragik und Komik und letztlich auch grausamen Leiden eines Alltags-Boheme-Lebens sowohl im 19. Jahrhundert in Paris wie auch im 21. Jahrhundert mitten in Berlin im Prenzlauer Berg oder in Friedrichshain überzeugend und "authentisch" auf die Bühne zu bringen.

Versteht man Mimis Schwindsucht lediglich als eine Metapher und ersetze man nur die Schwindsucht des 19. Jahrhunderts durch Aids oder Jugendarbeitslosigkeit im 21. Jahrhundert, dann haben Sie mit Ihrer zeitgemäßen Inszenierung die Boheme ganz brandaktuell inszeniert und dem Leben junger Künstler, die erst noch ihren Weg finden müssen, ein wirklich famoses Denkmal damit gesetzt. Das ist künstlerisch m.E. eine Leistung, von der sich manche hochgelobten Dauer- und Globalstars der großen Häuser dieser Welt ordentlich fette Scheiben abschneiden sollten... Bei alledem haben Sie keine Abstriche an notwendigen hohen künstlerischen Qualitätsstandards zugelassen, was Sie m.E. besonders ehrt und hervorhebt.

So hautnah mit dem Publikum zu arbeiten, die Straßenbahn-Geräusche und -erzitterungen im Saal und gelegentliche Regentropfen souverän abzufedern und obendrein dabei so locker zu bleiben, ist nicht nur hohes künstlerisches Vermögen, sondern beweist auch, das wahre Künstlerschaft neben ganz wichtigem grundsoliden künstlerischem Handwerkszeug auch Leidens-Bereitschaft und eben auch noch wirkliche Leidenschaft voraussetzt. All das habe ich bei Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen hautnah verspürt. Berlin und seine Opernfreunde sollten sich glücklich schätzen, solche selbstlose Begeisterung junger Künstler für ihr eigenes Schaffen in der Stadt vorzufinden. Von dem Mut und dem finanziellen Risiko, das Sie sicher alle eingegangen sind, ganz zu schweigen ...



Christian Wenk, Berlin, 31. März 2005
... Die Aufführung hatte in meinen Augen einen optimalen Weg zwischen dem klassischen Bild der Puccini Oper und der heutigen Zeit gefunden (!!!) ...


Wiltrud und Fritz Franzenmeyer, Berlin, 30. März 2005
... Wir waren begeistert von der lebendigen Inszenierung, der Stimmigkeit des Milieus, der Spiel- und Singfreude der Akteurinnen und Akteure unter so schwierigen Bedingungen, der Qualität der Stimmen, der Unmittelbarkeit der künstlerischen Wirkung auf uns, das Publikum. Sie haben den Beweis erbracht, dass eine Kulturpolitik und ein Sponsoring falsch sind, die sich auf eine Förderung von "Leuchttürmen" und "Events" beschränken ...


4. Akt: Musetta

4. Akt: Mimi und Rodolfo

Zeitungskritiken zu "Bohème der Republik" - Ausschnitte:

Oper macht erfinderisch - "La Bohème" in der Berliner Szene

von Boris Michael Gruhl, DNN - 19. April 2005

Die Ankündigung machte so stutzig wie neugierig. Oper in der Berliner Szene, am Prenzlauer Berg, im "Klub der Republik", Pappelallee 81? Hier soll es "La Bohème" geben? Zweifel scheinen erst mal angebracht. Aber langsam, ein Projekt nach Puccini soll es sein, so kündigt es die junge Truppe an. Die Macher um die Regisseurin Solvejg Franke aus Dresden sind ihre Figuren aus der Oper "La Bohème" sehr nahe, wenn nicht gar verwandt, weil es auch ihnen nicht an Idealismus, Humor und Unbeschwertheit, Ideen und vor allem Talenten fehlt, dafür um so mehr an Geld. An eine "ordentliche" Opernproduktion ist nicht zu denken. Doch Not macht erfinderisch und führt in unserem Fall an einem ungewöhnlichen, aber genial passenden Ort.

Hier kommen junge Leute zusammen, Bohèmiens von heute. Angehende Dichter, Maler, Musiker vor allem aber Philosophen und Lebenskünstler sind bestimmt dabei. Der Ort ist in der Szene "angesagt", hier wird "aufgelegt", aber nicht Puccini. Dessen Musik wird hier life geboten. Hier, hautnah am Besucher, an den Tischen des Klubs, auf den durchhängenden Sofas, an der Bar, spielt das Musiktheaterprojekt "Bohème der Republik" nach Puccinis Oper "La Bohème". Solche Orte erfindet ansonsten Anna Viebrock, doch hier ist alles original, das Ambiente atmet, der Charme ist abgewetzt. Natürlich kein Platz für Chor und Orchester, für Bühne, Dekorationen oder gar Lichtdesign.

Der Komponist Rainer Killius leitet die Aufführung vom Klavier aus. Seine "Klubfassung" kommt mit Flöte und Cello als weitere Instrumente aus. Was zunächst wie Caféhausmusik klingt, gewinnt bald Kraft. Wenn die Sängerinnen und Sänger dazukommen, sind wir schon ergriffen, es beginnt in uns zu singen, die "Band" bringt das Orchester in uns zum Klingen.

Fabian Martino als Rodolfo, Gabriel Uruttia Benet als Marcello, Andrea Chudak als Mimi und Moran Aboulloff als Musetta unterscheiden sich äußerlich so gut wie gar nicht von den vorwiegend gleichaltrigen "Opernbesucher" im Klub. Noch stärker scheinen Rainer Scheerer als Colline und vor allem Tobias Müller-Kopp als Schaunard den Lebenskünstlern auf der Zuschauerseite verwandt. Tobias Hagge, in der Rolle des gehörnten Alcindor, sticht etwas ab.

Das Klavier gibt ein musikalisches Fundament, die Flöte reicht für Puccinis bizarre, heitere Figuren, das Cello macht Gefühl und Herzenswärme. Mit Herzblut und Tempo wird eine angemessene Bearbeitung der Oper in Kammerfassung gespielt. Die Sängerinnen und Sänger, Studenten noch oder gerade Absolventen, werfen sich mit ihren Persönlichkeiten in die Partien, sie lassen es nicht an Temperament, Gefühl und wenn es sein muss auch nicht an großen Gesten italienischer Opernromantik fehlen. Die Tiefe der Geschichte geht nie verloren. Im Gegenteil, sie bekommt durch das Spiel ohne Podium, Vorhang und Orchestergraben immer wieder Dimensionen der Unausweichlichkeit. Puccinis so sentimentale wie realistische Geschichte vom Einbruch des Todes und der Erfahrung von Unbedingtheit inmitten von Spiel und Unverbindlichkeit wird hier sehr zeitgemäß interpretiert. Das Projekt funktioniert durch die große Sympathie derer die nicht singen und musizieren mit denen, die stellvertretend für sie davon singen und spielen, wie nahe Schmerz und Fröhlichkeit sind, Tod und Leben, Feigheit und Mut, Singen und Schweigen.

In der Regie von Solvejg Franke, die von vornherein erkennbar macht, dass es sich hier um ein Experiment nach Puccini und auf keinen Fall um eine Version seiner Oper handelt, wird eine stimmige Geschichte in eine gegenwärtige Szene versetzt.

 

Puccini im Klub und ohne Geld, aber als engagierte Oper mit großartigen Sängern

Ein Vorbericht von Birgit Walter, BZ - 15. März 2005

Eine Oper von Puccini für sieben Stimmen - na gut. Sie muss mit vier Instrumenten auskommen - bitte, warum nicht? Aber Puccinis "La Bohème" ohne Dirigenten - das geht nicht. Es war schwer, einen musikalischen Leiter (Rainer Killius) zu finden, der zugleich Pianist, Korrepetitor und Dirigent sein würde. Für eine Oper, die einem hohen musikalischen Anspruch genügen muss, aber nichts kosten darf. Für eine Oper, die nicht einmal ihren genauen Aufführungsort verraten will, weil der sonst hier ansässige Klub sein Image als Szeneladen nicht durch artfremde Reklame riskieren will. Der ist auch so jeden Abend voll. Aber die Idee von der Oper fanden die Leute aus dem Klub in der Pappelallee 81 dann doch ausreichend hip, um ihn eine Zeit lang den Künstlern zu überlassen, ohne Miete.

So entsteht hier die Oper "Bohème der Republik" nach Giacomo Puccini in Prenzlauer Berg. Genau so hat sich die Regisseurin Solvejg Franke ihre Diplominszenierung vorgestellt, genau dieses Stück in genau so einem Klub ohne Bühne und Parkett. Sie hat schon "Der Wildschütz" und "Bastien und Bastienne" inszeniert, aber keine Oper, sagt sie, "passt besser zu uns als die von den verarmten Künstlern des 19. Jahrhunderts". Klingt das nach dem Stück "Arme Künstler verhunzen Puccini?" Dann klingt es falsch.

Was man derzeit bei den Proben erleben kann, ist vielmehr ein musikalisches Beben. Hier sind erstklassig geschulte Opernsänger mit einer solchen Kraft und Leidenschaft bei der Arbeit, dass man als Zuhörer jeder Stimme körperlich nachspürt, mit solcher Wucht breitet sie sich aus, so unerwartet trifft sie ins Innerste, um dort nachzuschwingen. Die Stimmen nehmen sich weit mehr Platz, als der Ort ihnen zu bieten hat. Es ist diese nächste Nähe, die so berührt - Andrea Chudak mit ihrem dunklen kräftigen Sopran, die die Mimi singt, kniet nur drei Schritte vom Zuhörer entfernt auf dem Sofa, wo sie gerade schmachtend von Fabian Martino (Rodolfo) angebetet wird. "Die Stimmen sind unglaublich - oder?", sagt die Regisseurin. "So etwas hört man doch oft nicht mal an der Staatsoper. Nie hätte ich gedacht, dass ich solche Sänger kriege." ...

Sie will die Szene mit Oper konfrontieren, ohne pädagogischen Ansatz natürlich. Aber vielleicht probiert der eine oder andere Klubgänger dann doch einmal die große Oper. Die wird es schwer haben gegen diese Bohème.

Beziehungskisten

Solvejg Frankes "Bohème der Republik"
Berliner Tagesspiegel - 26. April 2005

... Frankes Inszenierung erinnert daran, dass "La Bohème" kein sentimentaler Schmachtfetzen ist, sondern die Mutter aller Beziehungskisten (wegen der großen Nachfrage gibt es Zusatzvorstellungen) ...

Bohèmiens in Berlin - Puccini im Prenzlberg

Klub der Republik: Oper wird Szene-Event
Berliner Morgenpost - 19. März 2005

... Das Stück wird absolut ernst genommen und nur geringfügig geändert bzw. gekürzt. Immer wieder gelingt es den Sängern, geradezu beklemmend Spannung aufzubauen. ...
Braucht also Berlin noch eine "Bohème"? So eine schon.

Bohème der Republik - Off-Oper im Klub der Republik

Tip Berlin 07/2005

... In ihrer Diplominszenierung bringt Solvejg Franke Puccinis Künstlerclique dorthin, wo heute die Musik spielt. Im hippen Retro-Ambiente des Klubs der Republik ergeben sich die Kontaktanbahnungen wie von selbst: Rodolfo und Mimí kuscheln in der Sofaecke, während die Freunde für den Barbetrieb sorgen und anschließend die leeren Bierkästen abräumen ...

Franke lässt ihre Darsteller auch dann nicht aus den Augen, wenn sie gerade nichts zu singen haben, deutet mit präziser Beiläufigkeit an, das hinter der Bohème-Fassade einige Spannungen verborgen sind.